Etwas, was charakteristisch für unser Leben ist, ist die Tatsache, dass wir immer wieder hungrig und durstig werden. Kaum ist der Appetit gestillt, fällt uns ein, was wir als Nächstes essen oder trinken könnten.
Ähnlich ist es mit unserem Kaufverhalten: Entscheide ich mich für die eine oder die andere Handtasche? Welche würde ich nehmen? Glücklicherweise wahrscheinlich keine, weil ich sie schlicht und ergreifend nicht brauche. Dennoch wecken sie mein Interesse und suggerieren mir, dass ich „nur noch sie“ für mein Wohlergehen benötige. Nur noch das eine, nur noch das andere.
Der Prediger kommt zu dem Ergebnis, dass das Auge sich nicht satt sieht: „Alle Worte sind unzulänglich, der Mensch kann es nicht in Worten ausdrücken; das Auge sieht sich nicht satt, und das Ohr hört nie genug.“ (Prediger 1, 8)
Nie haben wir genug.
Irgendetwas lacht uns immer an. Serien gehen weiter, Bücher werden fortgesetzt. Mode wechselt sich. Der Lauf der Zeit führt zu einem ständig aufstrebenden Bedürfnis: Es ist nie genug. Gottes Wort zeigt auf, dass die Speise nur für den Bauch ist, die Seele davon nicht satt wird:
Alle Arbeit des Menschen ist für seinen Mund; die Seele aber wird nicht gesättigt! (Prediger 6, 7)
So laufen wir Menschen hungrig und durstig nach Erfüllung umher, suchen hier und da den Durst und den unersättlichen Hunger zu stillen. Vergeblich.
Neugeborene drücken wortwörtlich aus, was wir Erwachsene oft nur innerlich empfinden: Lebensdurst. Kaum sind sie auf der Welt, schon suchen sie gierig die Brust der Mutter. Unzählige Male durfte ich Mütter im Stillen ihrer Neugeborenen anleiten. Faszinierend, wie Gott den Menschen schuf; der Suchinstinkt nach Nahrung ist gesunden Kindern angeboren, sie suchen und finden, saugen und werden satt. Vorerst.
Die Bibel gebraucht dieses Bild eines begierigen Kindes, um uns auf etwas Wesentliches hinzuweisen: „und seid als neugeborene Kindlein begierig nach der unverfälschten Milch des Wortes, damit ihr durch sie heranwachst, wenn ihr wirklich geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.“ (1. Petrus 2, 2–3) Gewiss hast Du schon erlebt, wie sich ein hungriges Kind verhält. Es wird (irgendwann) ungemütlich, schreit und lässt sich nicht mehr beruhigen. Der beste Schnuller verliert seine Wirkung, wenn das Kind Hunger hat. Dann wird es nicht eher Ruhe geben, bis es endlich Nahrung erhält. Wie ist das bei uns?
Psalm 63 beschreibt David in der Wüste. „O Gott, du bist mein Gott; früh suche ich dich! Meine Seele dürstet nach dir; mein Fleisch schmachtet nach dir in einem dürren, lechzenden Land ohne Wasser“ (Vers 2). Vielleicht steckst auch Du gerade in einer Wüstenzeit Deines Lebens. David beschreibt ein verzehrendes Gefühl, er schmachtet regelrecht und sieht sich in die Dürre versetzt. Was wünscht er sich? Eine Quelle, eine Oase mit Palmen oder eine grüne Weide? „dass ich deine Macht und Herrlichkeit sehen darf, gleichwie ich dich schaute im Heiligtum.“ (Vers 3)
Mich beschämt, wonach er lechzt: Gott. Er hat erkannt, woher sein Durst stammt. Er bittet nicht darum, dass die Wüstenzeit vorbeigeht, damit er annehmlicher leben kann. Nein, er fiebert danach Gott zu sehen, so wie er ihm im Heiligtum begegnet ist. David liebt Gott. Er vermisst Gottes Nähe, er sucht Gottes Gegenwart. Er will Gottes Herrlichkeit sehen.
Vielleicht liest sich das für Dich so theoretisch und Du denkst heute: Wenn du Gott vermisst, dann geh halt in eine Kirche.
Ich glaube, es ist mehr. Etwas, was uns in unserer lauten, rasanten, anonymen Zeit verloren gegangen ist: die Intimität mit Gott. Das Verweilen in der heiligen Gegenwart. Buße. Gebet. Gewiss, der Alltag als geheiligte Nachfolgerin Jesu ist ein Gottesdienst. Dafür braucht es kein Gebäude, keine Liturgie. Aber was David beschreibt, ist mehr als ein Stoßgebet. Mehr als ein Innehalten in der U-Bahn, mit dem Smartphone und einem Coffee-to-go in der Hand.
Ermutigt und ernüchtert hörte ich einmal die ehrlichen Worte eines Ältesten während einer Bibelstunde in einer Gemeinde, in der ich als Besucherin war. Er sprach davon, dass er wohl Stille Zeit gehalten hatte, „aber Gottes Herrlichkeit habe ich nicht gesehen“. Das hat mich tief beeindruckt. Und es deckt dieses Verlangen meines Herzens auf, das, was ich nur unterschwellig oder gar nicht wahrnehme, während ich im Eiltempo meine To-do´s erledige.
Was wusste David, was mir leider oft nicht präsent ist?
Denn deine Güte ist besser als das Leben, mit meinem Mund will ich dich loben. Ja, so will ich dich preisen mein Leben lang, im Gebet will ich meine Hände zu dir erheben und deinen Namen rühmen. (Psalm 63,4–5, NGÜ)
Besser als das Leben sind Gottes Gunst, Gottes Gnade, seine Güte. Er ist mehr, als wir je begreifen werden. Davids Reaktion darauf ist: Ich preise dich, Gott. Es klingt für mich etwa so: Gott, ich werde nie begreifen, wie herrlich du wirklich bist. Aber mit meinem kleinen Leben will ich deine Großartigkeit erheben.
Die Folgeverse lassen mich noch kleiner werden, als ich ohnehin bin – mit Blick auf die Erhabenheit des Schöpfers. David wird fündig. Das, wonach er sucht, findet er:
„Deine Nähe sättigt den Hunger meiner Seele wie ein Festmahl, mit meinem Mund will ich dich loben, ja, über meine Lippen kommt großer Jubel.“ (Vers 6, NGÜ)
David hatte Sehnsucht und Heimweh nach Gott. Er hat erkannt, dass er nirgends erlangt, wonach er strebt. Auf der Suche danach, das verzehrende Verlangen zu stillen, kommt David an. Bei IHM. David ist in der Wüste klar, dass er nicht in „löchrigen Zisternen“ suchen braucht, sondern er wendet sich direkt an Gott. Und das mit Erfolg.
Die Schlachterübersetzung führt es so aus:
Meine Seele wird satt wie von Fett und Mark, und mit jauchzenden Lippen lobt dich mein Mund, wenn ich an dich gedenke auf meinem Lager, in den Nachtwachen nachsinne über dich. (Verse 6–7)
Hier liegt ein Mann Gottes nachts wach und denkt über den Herrn seines Lebens nach. Nicht schlafen zu können, kann auch als Einladung Gottes verstanden werden, sich Zeit für Gemeinschaft mit seinem Schöpfer zu nehmen. Dann, wenn niemand stört und alle Ablenkungen offline sind.
Was geht David durch den Sinn? Was entdeckt er, während er nachdenkt? „Denn du bist meine Hilfe geworden, und ich juble unter dem Schatten deiner Flügel.“ (Vers 8) oder mit der NGÜ ausgedrückt: „So viele Male hast du mir geholfen, und im Schutz deiner Flügel kann ich jubeln.“ David stehen wohl Situation seines Lebens vor Augen, die notvoll waren und er erkennt: Gott, du warst da. Du bist meine Hilfe!
Ich frage mich: Wann habe ich zuletzt ungestört darüber nachgedacht, wie gut Gott ist? Wie gnädig er mir half? Wann habe ich zuletzt gejubelt, dass ich unter seinem Schirm bin?
Folgende Worte sind mein Gebet: „Möge mein Nachsinnen ihm wohlgefallen! Ich freue mich an dem HERRN.“ (Psalm 104, 34)
Warum war es David möglich, Gottes Herrlichkeit zu sehen? Wieso konnte er diese Gotteserfahrung inmitten der Wüste erleben? Ohne prunkvollen Tempel, ohne Festgewand, ohne inspirierenden Aussichtspunkt, um sich Gott zu nahen?
Es ging nicht um das Drumherum. Es ging um Gott. Gottesdienst heißt Gottes Dienst. Kein Wie, sondern Was: Gott.
An dir hängt meine Seele; deine Rechte hält mich aufrecht. (Psalm 104,9)
Seine Seele, sein Herz, sein ganzer Mensch hing an Gott. Das Zentrum seines Willens, der Thron seines Lebens – alles war Gott unterworfen. Ich wage kaum weiterzutippen, so unwürdig komme ich mir vor. So weit weg bin ich von dem, was ich hier schauen darf: Vertrautheit zwischen Gott und Mensch. Das ist Intimität. Aus Gnade ist das möglich.
Es wundert mich nicht mehr: Davids Seele wird satt. Er erfährt Erquickung, denkt an Gott und sinnt über sein Wesen nach. Er erkennt, dass Gott seine Hilfe ist und jubelt unter dem Schatten der Flügel Gottes. In der Gegenwart des Herrn kommt er zur Ruhe.
Spürst Du ihn, den Lebensdurst?
Wie stillst Du die Sehnsucht in Deiner Brust?
Konsum, positive Ablenkung, Freizeitvergnügen, Genuss – all das können Geschenke Gottes sein, die wir dankbar empfangen dürfen. Sie füllen den Magen, sorgen für schöne Erinnerungen und lassen doch eines leer – deine Seele.
Gott als Erfinder und Schöpfer unseres Daseins lässt dieses Vakuum explizit frei – für sich. Mit nichts und gar nichts wirst Du jemals das Sehnen in Deinem Inneren befriedigen können – außer mit ihm. Er hat uns die Ewigkeit ins Herz gelegt (vergleiche Prediger 3, 11) und daher kann nur der Ewige unser Herz zufriedenstellen.
Christus steht vor der Tür Deines Lebens. Nicht nur einmal initial, ehe Du ihm Dein Leben übergabst. Nein, er will Dir nicht nur einmalig nah sein, sondern für immer bei Dir bleiben. Gemeinschaft mit Gott, erquickende, Herzenssehnsucht stillende Zeit mit Gott, mir fehlt das Vokabular, um das zu beschreiben. Kennst Du diese Zeiten allein mit ihm?
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm essen und er mit mir. (Offenbarung 3, 20)
Auf der Suche nach Erfüllung ist Geld oder Zeit oft ein limitierender Faktor. Vielleicht denkst Du: Wenn ich wäre wie die oder der, dann könnte ich mir das alles gönnen.
Nicht so bei Salomo. An seinem Leben können wir lernen, dass es vergeblich war, alles auszugeben. Denn hier haben wir es mit einem Menschen zu tun, der ohne Limit genießen konnte. Alles, was ihm einfiel, tat er.
Und ich versagte meinen Augen nichts von allem, was sie begehrten; ich hielt mein Herz von keiner Freude zurück; denn mein Herz schöpfte Freude aus all meiner Mühe, und das war mein Teil von aller meiner Mühe. (Prediger 2, 10)
Fantasiere einmal, Du hättest alles, was Du Dir wünscht. Alles, was Dir einfällt. Kaum vorstellbar. So war es bei Salomo. NICHTS entsagte er sich. Gelüste kannten kein Maß. Er war so vermögend, dass er niemals „über sein Vermögen hinaus“ leben konnte. Saus und Braus ohne Ende. Ohne Grenze.
Was war sein Fazit? „Als ich mich aber umsah nach all meinen Werken, die meine Hände gemacht hatten, und nach der Mühe, die ich mir gegeben hatte, um sie zu vollbringen, siehe, da war alles nichtig und ein Haschen nach Wind, und nichts Bleibendes unter der Sonne!“ (Vers 11)
Salomo sollten wir gut zuhören, denn er hat ausprobiert, was wir nur antizipieren.
Kinder denken: „Wenn ich nur erst groß bin“. Singles träumen: „Wenn ich erst einen Partner habe“. Verheiratete träumen möglicherweise von Kindern. Familien von einer Auszeit ohne Kinder. In einer Wohnung lebend, ist der Wunsch nach einem Eigenheim präsent. Hat man erst ein Haus, wünscht man sich, schuldenfrei zu sein. Und so weiter und so fort.
Was sagt Salomo dazu? „Wenn ein Mann hundert Kinder zeugte und viele Jahre lebte — so groß auch die Zahl seiner Lebenstage würde, wenn seine Seele nicht gesättigt wird von dem Guten und ihm kein Begräbnis zuteilwird, so sage ich: Eine Fehlgeburt ist glücklicher als er!“ (Kap. 6, 3) Hast Du das aufmerksam gelesen?
Er toppt das Ganze in Vers 6: „Und wenn er auch zweitausend Jahre lebte und [dabei] nichts Gutes sähe — geht denn nicht alles dahin an denselben Ort?“
Salomo hat es uns vorgerechnet: Egal, wie viele Kinder Du hast oder auch hättest, wenn die Seele nicht gesättigt wird – es ist vergeblich. Ja, selbst wenn Du über 1000 Jahre alt werden würdest – es bliebe vergeblich. Denn, hier sehen wir wieder das „Grundproblem“ des Menschen: „Alle Arbeit des Menschen ist für seinen Mund; die Seele aber wird nicht gesättigt!“ (Vers 7) Wir erkennen erneut und unschwer, dass das Vakuum des Herzens mit nichts gestillt werden kann, als vom Schöpfer selbst.
Die letzten Wochen waren mental schwer. Irgendwie war ich innerlich nicht zufriedenzustellen und plötzlich wird mir bewusst, wie dankbar ich dafür bin, dass ich dabei nicht erfolgreich war: Weder durch „pflichtmäßiges“ Lesen der Schrift, das „Abarbeiten“ meiner Gebetsliste, weder leckere Speise, schöne Sonnenstunden im Freien, Zeit mit lieben Menschen, eine stabilere Gesundheit, Wertschätzung und Lob, Erfolg im Studium oder das Erfüllen von Wünschen materieller und immaterieller Art – bei all dem wurde und werde ich nicht fündig, blieb und bleibe durstig – nach IHM.
Unsere Seele ist ständig auf der Suche: „Besser das, was wir mit den Augen anschauen, als das, wonach die Seele umherschweift. Auch das ist nichtig und Haschen nach Wind.“ (Vers 9) Was schaust Du an? Betrachtest Du Jesus? (vergleiche Hebräer 3, 1)
Psalm 17, 15: „ich aber werde dein Angesicht schauen in Gerechtigkeit, an deinem Anblick mich sättigen, wenn ich erwache.“ An Gottes Anblick dürfen wir uns sättigen. Nur bei ihm wird die Sehnsucht gestillt. In der Nähe Gottes kommen alle Wünsche zur Ruhe.
Hiob beschreibt diese Erwartung, welche dann ungetrübt beim Herrn vollends eintrifft:
Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, dann werde ich, von meinem Fleisch los, Gott schauen; ja, ich selbst werde ihn schauen, und meine Augen werden ihn sehen, ohne [ihm] fremd zu sein. Danach sehnt sich mein Herz in mir! (Hiob 19, 26–27)
„Schmeckt und seht, wie freundlich der HERR ist; wohl dem, der auf ihn traut!“ (Psalm 34, 9) Ist Jesus das Verlangen Deines Herzens? Die Seele wird immer hungrig und durstig bleiben, wenn sie nicht mit dem gestillt, gesättigt und befriedigt wird, wonach sie sucht. Wer durstig nach Wasser ist, gibt sich nicht mit Süßigkeiten zufrieden. Wir werden satt bei Gott, wenn unsere Seele an nichts anderes hängt als an ihm. In der Gegenwart Gottes finden wir, was wir wirklich brauchen.

Liane Wagner


